Die Risiken von Mikroplastik im Meer und der daraus resultierende Forschungsbedarf

Plastikteilchen machen bis zu 90 Prozent des Mülls in den Ozeanen und an Stränden aus. Dieser Herausforderung stellt sich nun das Bundesforschungsministerium (BMBF) mit dem europaweiten Programm „Mikroplastik in Maritimen Systemen“. Zu den vier internationalen Forschungsverbünden, die das Expertengremium überzeugen konnten, gehören das Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung mit dem Thema Vereinheitlichung von Standards für Mikroplastik-Analysen sowie das Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) mit Verteilungswegen zu Abbau und Toxizität des Plastikmülls in den Meeren.

Von der Verletzungsgefahr bis hin zum Tod: Mikroplastik im Meer birgt großes Gefahrenpotential für marine Organismen. Doch nicht nur das. Neben mangelnder Ästhetik können alle Kunststoffteilchen, die kleiner als fünf Millimeter sind, zur Anreicherung von Umweltgiften im Meer führen. Da diese Schadstoffe kaum wasser-, jedoch fettlöslich sind, ist es möglich, dass sie sich im Fettgewebe derjenigen Tiere anreichern, die den Plastikmüll mit ihrer Nahrung aufgenommen haben. Oder sie gelangen gar in den Nahrungskreislauf einzelner Organismen beziehungsweise ganzer Netzwerke. Ganz zu schweigen vom Klimawandel, der durch die zunehmende Meeresvermüllung noch vorangetrieben wird. Schließlich sind die Meere außerordentlich wichtig für die Temperaturregulierung. Mikroplastik, das durch die Zersetzung von Kunststoffmüll in der Meeresumwelt entsteht, ist da kontraproduktiv, da es die physikalischen Eigenschaften wie Wärmerückhaltevermögen, Lichtreflexion und Korngrößenverteilung innerhalb von Habitaten verändert. Zudem kann absinkendes Plastik den Meeresboden verhärten, wodurch die Sauerstoffversorgung erschwert wird.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass bis zu zehn Prozent der jährlich weltweit hergestellten Kunststoffe von momentan rund 290 Tonnen früher oder später in die Ozeane eingetragen werden. Neben größerem Müll wie Plastikflaschen oder –tüten werden dabei auch Mikropartikel aus Kunststoffen in Meereswirbeln, Sedimenten und an Stränden beobachtet sowie in Meeresorganismen nachgewiesen. Laut Umweltbundesamt beträgt das Verhältnis von Mesozooplanktontierchen und Mikroplastik in Akkumulationsgebieten im Mittelmeer bereits 2:1.Was also tun gegen die Verschmutzung der Weltmeere?

Aus den skizzierten Risiken leitet sich neben einheitlicher Messmethodik folgender Forschungsbedarf ab, den das BMBF mit der Förderinitiative zum Thema „Mikroplastik in Maritimen Systemen“ adressiert:  Wie verhält sich Mikroplastik? Wie kann es abgebaut werden? Wie wirkt es sich auf die marine Umwelt und auf den Menschen aus, welche toxikologischen Effekte hat es, kann es als Verbreitungsmedium für pathogene Keime fungieren? Wo kommen die Kunststoffpartikel im Einzelfall her, mit welcher Konzentration sind sie in Gewässern verteilt und wie verbreiten sie sich im Meer? Diese Fragen sollten weitergehender erforscht werden. Schließlich sind die negativen Folgen des Plastikmülls auf die Weltmeere ein globales Menschheitsproblem, dass internationaler Kooperation bedarf. Auf dass auch in Zukunft möglichst jeder Mensch – ob arm oder reich - Zugang zu sauberem Wasser hat, ohne sich Infektionskrankheiten einzufangen.

Um dieses Ziel zu erreichen, sollten Forscher Maßnahmen zur Verminderung von Plastikmülleinträgen im weitesten Sinne entwickeln. Eine weitere drängende Aufgabe ist die zuverlässige Evaluierung biologischer Risiken von Mikroplastik. Hierfür müssen zuallererst gesicherte Daten zu Konzentrationen, der Polymer-Zusammensetzung und dem Verbleib der Kunststoffteilchen ermittelt werden. Darüber hinaus sollten Wissenschaftler verstärkt effektive Methoden zur Entfernung von Mikrokunststoffen aus der Umwelt entwickeln. Der Forschungsansatz, Müll durch installierte künstliche Barrieren und natürliche Meeresströmung aus dem Meer zu filtern, existiert bereits. Auch an einem speziellen Filter für Waschmaschinen wird gearbeitet. Weitere Ansätze wären ein verbessertes Abfallmanagement auf See, die Verhinderung des weiteren Eintrags von primärem Mikroplastik, eine Bezahlpflicht für Plastiktüten, effizienter Materialeinsatz, gute Wiederverwertbarkeit von Produkten, die Herstellung biologisch abbaubarer Kunststoffe auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen sowie die Vermeidung von Additiven und Füllstoffen.  Umfassende Aufklärung der Öffentlichkeit, die Kommunikation guter Beispiele sowie das Herbeiführen eines Verbots von Mikroplastik in Kosmetika wären ergänzend vorauszusetzen.

Die Kunststoffteile in Form von Partikeln, Fasern, Kügelchen und Pellets sind dem Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung zufolge bereits in fast allen marinen und fluvialen Habitaten nachgewiesen worden und „sehr wahrscheinlich mit hohen Gefahren für die Ökosysteme verbunden.“ Aufgrund der weiten Verbreitung von Plastik in Haushalt, Kleidung und Kosmetika, sieht das Institut häusliche Abwässer als potentielle Quelle für Mikroplastik an, da es über die Flüsse in die Meere gelangen kann. Doch: Welche Rolle spielen Klärwerke bei diesen Prozessen? Können sie die Plastikteilchen zurückhalten? Das Alfred-Wegener-Institut hat diesbezüglich bereits geklärtes Abwasser, Klärschlamm und abgeschiedene Leichtstoffe in zwölf Kläranlagen des Oldenburg-Ostfriesischen Wasserverbunds beprobt und auf Mikroplastik untersucht. Um die Filterung in Kläranlagen zu optimieren und weitere Erkenntnisse zu gewinnen, müssten jedoch zusätzliche Kläranlagen sowie mitgeführte Mikroplastik-Fracht in Flüssen untersucht werden. Eine andere Möglichkeit zur Vermeidung von Plastik ist die Verwendung von Chitin aus Krabbenabfällen für Verpackungen. Dies wäre zwar mit hohem Aufbereitungsaufwand verbunden und daher wohl hauptsächlich für spezielle, gut bezahlte Anwendungen denkbar – etwa in der Medizin.

Doch auch jeder Bürger kann durch sein Konsumverhalten einen Teil zum Schutz der Ozeane beitragen. So hat etwa der BUND unter www.bund.net/Mikroplastik eine Liste von Kosmetika wie Peelings, Gesichtsreinigungen und Duschgels veröffentlicht, die Kunststoffe enthalten. Neben der bewussten Körperpflege helfen auch Achtsamkeit beim Shoppen sowie verantwortliches Waschen und Autofahren der Umwelt im Allgemeinen und insbesondere unseren Meeren. Denn die winzigen Kunststoffpartikel werden auch bei jedem Waschgang aus Chemiefasern wie Fleece, Nylon, Acryl, Polyester als Mikrofaserteilchen via Abwasser in die Ozeane gespült. Hier gilt es, das Augenmerk auf Biowachspartikel oder andere umweltverträgliche Stoffe als Ersatz für Mikroplastik in Kosmetikprodukten zu lenken. Zudem werden die Teilchen durch Reifenabrieb auf Straßen sowie Fragmente von Seilen und Netzresten der Fischerei beziehungsweise Schifffahrt freigesetzt.

Weitere Informationen zur Forschung über Mikroplastik in den Ozeanen unter http://www.fona.de/de/20394.

 

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